Lars Bech, Geschäftsführer des Textil-Herstellers Neutral, setzt sich seit 16 Jahren für eine nachhaltige Textilproduktion ein. (Foto: Moritz Matthes)

Der Ressourcenverbrauch in der Textilindustrie ist immens: Tausende Liter Wasser, große Mengen an bedenklichen Pestiziden, Düngemitteln, Chemikalien und Energie werden über die gesamte Produktionskette allein für einzelne Baumwoll- Artikel wie T-Shirts benötigt. Auch die Arbeitsbedingungen auf den Baumwollfeldern, in den Webereien und Nähwerkstätten der Entwicklungsund Schwellenländer sind oftmals bedenklich. Wie lässt sich mit den Ressourcen effizienter und umweltschonender wirtschaften? Wie lassen sich Preise und soziale Rahmenbedingungen in Einklang bringen?

Die Fachmesse „TV Tec- Style Visions“ widmete dem Thema Nachhaltigkeit in diesem Jahr erneut eine eigene Sonderfläche unter dem Titel „fair•eco•bio“. Hier informierten die Aussteller Neutral, Mantis World und HRM über nachhaltige Produkte. Außerdem konnten sich die Fachbesucher ein nachhaltig produziertes T-Shirt bedrucken lassen. Die nötige Technik und das nachhaltige Zubehör stellte das baden-württembergische Unternehmen Borchert + Moller zur Verfügung.

Als „Katastrophe“ beschreibt Lars Bech, Gründer der Marke „Neutral“, die Auswirkungen der konventionellen Textilproduktion auf Mensch und Umwelt. „Ich habe vor 16 Jahren selbst die farbverschmutzten Flüsse gesehen und Menschen, die bis spät in die Nacht in den Fabriken schuften“, sagt Bech. „Was können wir besser machen?“, habe er sich gefragt. So entstand bereits damals die Idee zu einer streng nachhaltigen Textilproduktion, die schließlich in die Entwicklung der Marke „Neutral“ mündete. Die Dynamik des Themas und die zunehmend sichtbaren Folgen des Klimawandels verhelfen „Neutral“ jetzt zu einem starken Auftrieb. „Glauben Sie nicht mir, sondern den Zertifikaten“, sagt Bech selbstbewusst. Einheitliche Standards und unabhängige Prüfer seien die besten Werkzeuge, die wir haben. „Neutral“ setzt dabei unter anderem auf die Zertifikate von „GOTS“, „EU Ecolabel“, „Fairtrade“, „SA8000“ und den „Standard 100 by Oeko-Tex“.

Was ist GOTS?

Thomas Mosner, Berater im Markt für Textilsiebdruck und nachhaltige Textilproduktion, veredelte für die Besucher auf der Sonderfläche CO2-neutral produzierte T-Shirts der Marke „Neutral“ – und zwar nachhaltig im Siebdruckverfahren. Denn wenn man es beim Thema Nachhaltigkeit ernst meint, sollte nicht nur das Textil fair und sauber produziert sein. Auch die verwendeten Druckfarben und weitere eingesetzte chemische Stoffe müssen ökologischen (und sozialen) Anforderungen entsprechen – so lautet beispielsweise die Anforderung des sehr strengen GOTS-Standards. Der im Jahr 2002 von vier Textilverbänden aus Deutschland, den USA, Japan und Großbritannien ins Leben gerufene GOTS-Standard sieht unter anderem vor, dass die Textilien zu mindestens 90 Prozent aus Naturfasern und maximal zehn Prozent synthetischen Fasern bestehen dürfen – insgesamt müssen 70 Prozent der Fasern von Pflanzen oder Tieren aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft stammen. Bei der Faseraufbereitung sind bestimmte chemische Prozesse nur eingeschränkt zulässig, das Chloren von Wolle ist nicht erlaubt. Zum Färben dürfen nur gesundheitlich und ökologisch unbedenkliche Substanzen verwendet werden. Verboten sind problematische Substanzen wie Schwermetalle, Formaldehyd, Chlorphenole. Der Standard umfasst außerdem Sozialkriterien, schließt etwa Zwangs- oder Kinderarbeit und Diskrimierung aus. Ob die Standards eingehalten werden, überprüfen unabhängige Zertifizierer. „Viele Drucker wissen noch gar nichts von GOTS“, beklagt Mosner. Das Problem: Wird ein zertifiziertes T-Shirt konventionell bedruckt, verliert es auch den GOTS-Status. Auf etwa fünf Prozent schätzt Mosner derzeit den Anteil der Hersteller, die nachhaltige Produkte anbieten. Gleichzeitig sei das Interesse der Kunden groß. Auch der Preisunterschied zwischen konventioneller und nachhaltig produzierter Ware sei inzwischen gering. „Die Großen könnten viel tun, machen sie zum Teil auch schon, aber nur in kleinen Schritten“, kritisiert Mosner. Letztendlich müsse der Druck vom Verbraucher kommen.

Wie viel Ressourcen spart das Bio-Shirt?

„Dieses Bio-T-Shirt schützt 1m² Land vor der Bewirtschaftung mit giftigen Pestiziden“, steht in großen Lettern auf einem gelben T-Shirt am Stand von Mantis World auf der „fair•eco•bio“-Sonderfläche. „Viele Menschen wollen Bio- oder nachhaltige Produkte kaufen, machen es aber nicht, da sie sich der positiven Auswirkungen ihrer Kaufentscheidung nicht wirklich bewusst sind“, sagt Marion Mollenhauer, Sales & Marketing Europe bei Mantis World. Die zahlreichen Shirts aus Bio-Baumwolle mit unterschiedlichen Botschaften am Stand sollen darauf hinweisen, dass wir alle durch verantwortungsvolles Einkaufen einen positiven Beitrag für unsere Umwelt leisten können. In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Green Story möchte Mantis World die Kunden für den Ressourcenverbrauch bei der Textilherstellung sensibilisieren. Über einen QR-Code (auf dem Etikett der neuen Mantis Essential Organic Ts) können die Kunden jetzt entsprechende Daten zum Textil abrufen: Wieviel weniger Wasser wurde im Vergleich zu einem herkömmlichen T-Shirt verbraucht? Wieviel Pestizide, Energie und CO2 wurden gespart? Um diese Daten für die Kunden verständlicher zu machen, kann man sich beispielsweise beim Energieverbrauch anzeigen lassen, wie lange eine Glühbirne mit dieser Strommenge leuchten würde.

Fair für alle

Nachhaltigkeit erstreckt sich bekanntlich nicht nur auf den Schutz der Umwelt und den schonenden Umgang mit den Ressourcen. Monirul Hoque, Geschäftsführer des Stuttgarter Unternehmens HRM Textil, stellte im Rahmen des „fair•eco•bio“-Infopoints unter anderem seine Sozialinitiative „FAIR4ALL“ vor. „Damit garantieren wir faire Arbeitsbedingungen in allen Bereichen vom Rohstoff bis hin zum Vertrieb.“ Konkret bedeute dies: Arbeitssicherheit und Schutz der Gesundheit, genug Platz und Sauberkeit im Arbeitsbereich, faire und geregelte Bezahlung, moralisch vertretbare Arbeitsverträge, gewerkschaftliche Arbeitsrechte ohne Einschränkungen sowie keine Diskriminierung, Kinder- oder Zwangsarbeit. Für jedes verkaufte Produkte führt HRM nach eigenen Angaben zudem zehn Cent ab, die direkt an ein Waisenhaus in Rajshahi in Bangladesch fließen und dort in die Ausstattung, Betreuung und Pflege investiert werden.

Qualität ist ein Nachhaltigkeitsaspekt

Neben Aspekten wie fair, eco und bio sind auch Eigenschaften wie Qualität und Haltbarkeit der Textilien wichtige Nachhaltigkeitsaspekte – was länger hält, muss nicht so schnell ersetzt werden. Und auch die Auswahl qualitativ hochwertiger Promo-Shirts und eine ansprechende Gestaltung der Dekoration wirkt auf einer weiteren Ebene nach: beim Kunden. Eine hohe Qualität der Produkte macht nicht nur einen guten Eindruck, schick veredelte Produkte werden häufiger getragen – und damit hallen auch die darauf gedruckten oder gestickten (Werbe-)Botschaften anhaltend nach. Auch hier passt also der Begriff „Nachhaltigkeit“.

www.neutral.com

www.global-standard.org

www.mantisworld.com

www.hrm-textil.de

 

 

 

 

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