Das neuartige Virus SARS-CoV-2 hält mit mehr als 929.000 Todesfällen und 29,3 Millionen bestätigten Infektionen (Stand: 15. September 2020) mittlerweile die gesamte Welt in Atem. Ein Beitrag, um Infektionsketten nachhaltig zu unterbrechen und die Pandemie damit einzudämmen, ist es, Textilien mit einem antiviralen und antibakteriellen Schutz auszurüsten.

„Krankheitserreger können, das weisen etliche wissenschaftliche Studien nach, über Textilien übertragen und verteilt werden“, erklärt Robert Zyschka, Head of Application Field Finishing bei CHT Germany GmbH. Selbst Viren, die anders als Bakterien über keinen eigenen Stoffwechsel verfügen, können auf textilen Oberflächen lange aktiv bleiben. Das Coronavirus (SARSCoV- 2) ist laut Journal of Hospital Infection (Ausgabe 104) bei Zimmertemperatur auf Textilien bis zu zwei Tage aktiv und damit gefährlich. Ein wesentlicher Baustein zur Eindämmung des SARS-CoV-2 und auch anderer pathogener Viren ist laut Zyschka daher „Textilien herzustellen, deren Oberfläche in der Lage ist, das Wachstum von Bakterien zu hemmen und Viren zu inaktivieren“. Die Forschungsabteilung der Schweizer HeiQ Group, ein Unternehmen, das wie CHT Lösungen für die Fertigung von Spezialtextilien bietet, entwickelte jetzt eine neuartige antivirale Beschichtungslösung. Der sogenannte „HeiQ Viroblock NP J03“ wird am Ende des Herstellungsprozesses von den Textilherstellern bzw. -veredlern über Nassveredlungsprozesse auf die Textilien appliziert. Anwendbar ist die antivirale und antibakterielle Beschichtung grundsätzlich auf allen Fasertypen und Vliesstoffen. Der Schutz übersteht laut Zyschka je nach Faserart und Waschverfahren zehn bis dreißig Waschgänge. Und könnte danach sogar wiederaufgefrischt werden, so jedenfalls die Vision von CHT, die derzeit gemeinsam mit einer Großwäscherei für medizinische Textilien an einer entsprechenden Lösung arbeitet. CHT fertigt und vertreibt den „HeiQ Viroblock NPJ03 by CHT“ in Lizenz und unterstützt Anwender dabei, die für die Veredlung der Textilien notwendigen Prozesse aufzusetzen.

Mit Silber gegen Bakterien und Viren

Die antivirale und antibakterielle Leistungsfähigkeit dieser Lösung speist sich dabei aus zwei Technologien. Die bereits seit Jahrzehnten bekannte Silbertechnologie bekämpft dabei sowohl Viren als auch Bakterien. Dabei reagieren die auf die Textilien aufgebrachten Silberionen unter anderem mit Schwefelgruppen, die in vielen Proteinen der Bakterienzellen enthalten sind und stören so den Stoffwechsel und die Zellteilung dieser. Doch Silber entfaltet auch eine Wirkung gegen Viren, die streng genommen keine Lebewesen, sondern „nur“ infektiöse Substanzen sind. Um zu „überleben“ und sich zu reproduzieren, müssen sie in Wirtszellen von Pflanzen, Tieren oder Menschen eindringen. Hier können sie dann beim Menschen beispielsweise so gefährliche Krankheiten wie Grippe, Windpocken, HIV oder eben auch COVID-19 auslösen. Das Eindringen in eine Wirtszelle gelingt dabei Viren mit einer Lipidhülle besser als den unbehüllten Viren. Denn dank der Hülle können sie die Immunabwehr eines Wirts leichter unterlaufen und sich besser anpassen. Ein evolutionärer Vorteil, der dazu geführt hat, dass mittlerweile sämtliche neu auftretenden pathogenen Viren wie der SARS-CoV-2 oder der Ebolavirus behüllt sind. Die positiv geladenen Silberionen ziehen die entgegengesetzt geladenen Virenpartikel wie ein Magnet an und binden sie unlösbar über die Bildung von Silbersulfid. Dadurch wird das Virus nicht nur immobilisiert – durch die Bindung an die Schwefelgruppen wird es gleichzeitig auch deaktiviert. Ein Vorgang, der jedoch nicht blitzschnell abläuft und damit Infektionsketten nur bedingt unterbrechen kann. Doch durch die Kombination der Silbertechnologie mit der Vesikeltechnologie „wird ein regelrechter Geschwindigkeitsschub bei der Inaktivierung der Viren erzielt“, so Zyschka.

Patentierter Doppelschutz

Um die behüllten Viren innerhalb weniger Minuten zu zerstören, kommen sogenannte Vesikel zum Einsatz. Vesikel sind künstlich hergestellte, kleine bläschenartige Gebilde, die häufig auch als Liposome bezeichnet werden. Sie werden unter anderem in der Kosmetik eingesetzt, um Substanzen in eine Zelle zu schleusen. Die verwendeten Vesikel bestehen aus einer Lipiddoppelschicht, die anders als die behüllten Viren kein Cholesterin enthalten. Damit entsteht in Bezug auf den Cholesteringehalt ein Konzentrationsgradient, der – wie immer in der Natur – nach einem sofortigen Ausgleich strebt. Das heißt, die Cholesterinmoleküle verlassen verstärkt die Virusmembran und diffundieren in die Vesikel. Dadurch verliert die Hülle der Viren ihre struktur- und festigkeitsgebenden Bausteine, sie wird brüchig und fällt letztlich in sich zusammen. Der Virus ist damit nicht mehr in der Lage, neue Wirtszellen zu infizieren. Textilien, auf die der antivirale und antibakterielle Schutz aufgetragen wurde, deaktivieren bei richtiger Anwendung der daraus gefertigten Produkte, innerhalb von Minuten die auf der Oberfläche haftenden Viren. Ein aktueller Prüfbericht nach ISO 18184 beziffert die antivirale Wirksamkeit eines mit „HeiQ Viroblock NPJ03“ behandelten Vliesstoffes mit 99,99 Prozent. Um die Übertragungs- und Infektionsraten nachhaltig zu verringern, sollten nach Ansicht von Robert Zyschka unbedingt medizinische Textilien wie Kittel oder Hauben mit diesem Schutz imprägniert sein. Denn da in Pandemiezeiten Schutzausrüstungen aus Mangel häufig länger als vorgeschrieben getragen werden, kann die Verbreitung der Viren über die Kleidung damit gestoppt werden. Doch um „Menschen umfassend vor dem Virus zu schützen und die Volkswirtschaften am Laufen zu halten“, sollten laut Zyschka auch Alltagskleidung oder Polsterstoffe in Bussen, Bahnen oder Flugzeugen mit dem Produkt behandelt werden. Gesundheits- oder Umweltschutzbedenken hat der Textilingenieur nicht: „Ich kenne keine Studie, die die seit Jahrzehnten eingesetzten Silberionen oder die in der Kosmetik verwendeten Vesikel problematisiert. Die Funktionalisierung von Textilien mit dieser Innovation ist deshalb ein unbedenklicher und effizienter Weg, mögliche Infektionsketten zu unterbrechen.“

www.cht.com

www.heiq.com

https://www.cht.com