Massimo Baezzato gehört zu den Gesichtern der Stickbranche. Seit über 40 Jahren ist er aktiv, davon 20 Jahre als Inhaber seiner Firma ConStitch. Gemeinsam mit der TVP hat er einen Blick zurück geworfen in eine Zeit, in der die ersten Punchsysteme für PCs auf den Markt kamen. Der heute 64-Jährige war sogar an der Entwicklung eines solchen Systems beteiligt.
TVP: Herr Baezzato, Sie waren während Ihrer Gunold-Zeit (von 1981 bis 1998) in die Entwicklung eines der weltweit ersten Punchsysteme für PCs eingebunden. Wie muss man sich die damalige Zeit vorstellen?
Massimo Baezzato: „Das war 1986. Bei der Firma Gunold hat man damals noch mit Jacquard-Karten, also mit mechanischen Punch-Systemen gearbeitet. Diese Arbeit können sich die heute jüngeren Puncher wahrscheinlich nicht mehr richtig vorstellen, aber damals sind sämtliche Motive samt aller Stiche mit der Hand eingezeichnet worden, zumindest die Deckstiche ohne die Stichunterleger. Diese musste der Puncher entsprechend dem Grundstoff genau „schlagen“ – so der Begriff Punchen damals. Das bedeutet, wenn man ein Motiv gepuncht hat, konnte man es während des Punchens nicht verbessern, sondern man musste sich vorher genau überlegen, wo das Muster anfängt und wo es aufhört. Es war eine sehr mühsame Arbeit. Ich habe damals zwischen Zeichner-, Punch- und Entwurf-Abteilung gearbeitet – da, wo man mich am besten gebrauchen konnte. In der Entwurfabteilung sind Motive für die Stickerei entworfen worden. Etwa im Frühjahr 1986 wurde gegenüber von meinem Büro ein Raum verdunkelt. Man konnte nicht mehr hineinschauen. Unter den Mitarbeitern hatte sich gleich eine gewisse Neugier und Spekulationen verbreitet: ‚Was passiert in diesem Büro?‘ Ich habe damals zwei Kollegen gesehen – Michael Sauer (heute Inhaber der Firma Textilfuxx) und René Schneider († 2005) –, die immer rein- und rausgegangen sind. Natürlich habe ich mich gefragt: ‚Was machen die in dem Raum?‘ Als ich einen Tag reingerufen wurde, habe ich es gesehen: ein Computer, ein Bildschirm und ein Digitizer-Tisch. ‚Wow!‘, hatte ich beim Anblick gedacht. Das war ein ‚NEC PowerMate 286‘ mit 4 Mbyte Festplatte. Damals unfassbar! Man konnte ein Motiv aus einer Jacquardkarte einlesen und hat es ‚in Farbe‘ auf dem Bildschirm gesehen – gewaltig! Dazu konnte man Stiche bewegen, Teile vom Muster löschen oder kopieren. Einfach genial! Ein Jahr später wurde dieser Computer durch einen ‚NEC PowerMate 386‘ mit 20 Mbyte Festplatte ersetzt – eine echte Rakete! Ich habe mich gefragt: Was soll ich damit machen? Die Antwort kam gleich durch meine Kollegen. Ich solle die Software kennenlernen und die Bilder für das Handbuch fertigen. Ich durfte ab diesem Zeitpunkt jeden Tag ab 16 Uhr in diesen ‚ominösen‘ Raum, um mich mit der Software zu beschäftigen und Bilder zu zeichnen. Einige Wochen später, so gegen 19 Uhr, kam Heinz Gunold (Vater von Stephan und Christoph Gunold) in das Büro rein und fragte mich, was ich um die Uhrzeit noch in der Firma machen würde. Nach meiner Erklärung wurde ich einige Tage später in sein Büro gerufen. Ab diesen Tag war ich dann fester Bestandteil der Gunold-Technology-Abteilung. Im September 1986 flog ich dann mit meinen Kollegen René Schneider und Michael Sauer nach Atlanta, um auf der „Bobbin Show“ die Software vorzuführen. Es war meine erste Messe – und das alles gleich in englischer Sprache… Dies war der Start meiner Tätigkeiten bei Gunold als Mitentwickler, Vorführer, Schulungsleiter für Hunderte von Kunden und für viele Messen und Reisen weltweit. Wir haben von 1986 bis etwa 1993 mit der Firma CadCam Technology aus England die Software DMES (Editiersystem), JPS und APS (Punchsysteme) entwickelt. Damals noch mit MS-DOS-Systemen. Ab 1993 bis 1998 haben wir mit der Firma Wings Systems das Ganze auf Windows OS weiterentwickelt. Als diese Abteilung 2000 bzw. 2001 bei Gunold geschlossen wurde, fragte die Firma Wings Systems bei meinem guten Freund René Schneider und mir an, ob wir den Vertrieb und den Service mit Schulungen der Software übernehmen könnten. Seit dem Tod von René Schneider 2005 arbeite ich alleine mit der Fa. Wings Systems zusammen.“
TVP: Das Punchsystem „JPS“ hat bei seiner Vorstellung auf der ITMA 1987 in Paris für Furore gesorgt. Wie sah das Handling im Vergleich zu heutigen Softwarelösungen aus?
Massimo Baezzato: „Das kann man mit der heutigen Software nicht mehr ganz vergleichen.